Haushaltsrede 2024 von Dr. Martin Mistele

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

Unsere Zeit ist nach wie vor von Krisen geprägt, und nur die Coronakrise scheint davon zu einem Ende gekommen zu sein. Allerdings nicht ohne kräftige Spuren in den Staatsfinanzen, etlichen Branchen und einer Generation von Kindern hinterlassen zu haben.

Leider ist bei den Kriegen kein Ende absehbar. Alleinherrscher Putin hat seine Menschenverachtung jüngst mit der Ermordung seines potenziellen Rivalen Nawalny zum Ausdruck gebracht, und das Beispiel zeigt, dass mit seinem Einlenken trotz der vielen Opfer auf beiden Seiten des Ukrainekonflikts nicht zu rechnen ist. So läuft es auf ein Kräftemessen der russischen Volkswirtschaft mit den westlichen Gegenspielern hinaus. Die Folgen sehen wir in einem wachsenden Verteidigungsetat, welcher an anderer Stelle eingespart werden muss. Hier hatte sich die Regierung mit Umbuchungstricks im Haushalt einen schlauen Ausweg zurechtgelegt, der dann aber von unserem Bundesverfassungsgericht einkassiert wurde.

Die Folgen dieses Krieges bewirken derzeit den größten Anteil an Flüchtlingsschicksalen in unserer Mitte. Ob es allerdings angemessen war, diese neue Bevölkerungsgruppe von Anfang an mit Bürgergeld auszustatten, ist für uns fraglich. Wer ehrlich nachdenkt kommt nicht umhin zu sehen, dass auch unsere Wohnungsknappheit und viele Belastungen in unserem Bildungssystem mit diesem Konflikt zu tun haben.

Daneben gibt es nach wie vor noch viel Migration aus wirtschaftlich schwächeren Regionen der Welt, die in Deutschland das Paradies auf Erden wähnen. Hier wird unsere jetzige oder zukünftige Bundesregierung einen Weg finden müssen, die ungeregelte Migration über Schleuserrouten in geordnete Verhältnisse zu überführen. Es kann nicht sein, dass jedes Jahr über eine Viertelmillion Menschen in Deutschland bleiben darf, nur weil sie das Zauberwort „Asyl“ aussprechen. In den letzten Jahren lag die Anerkennungsquote im weiteren Sinne bei ca. 50 %, aber von den anderen 50% wurden nicht einmal 1 % zurückgeführt. Kriterien für eine Aufenthaltsberechtigung müssen sein, dass Einwanderer sich in Deutschland integrieren möchten, bereit sind die Sprache zu lernen und bereit sind, einer ehrlichen Arbeit nachzugehen.

All diese Themen wirken sich auch in Marbach aus und nehmen einen erheblichen Teil in unserem Haushalt ein. Bearbeitet und gelöst werden müssen sie jedoch in Berlin oder Brüssel.

Eine weitere große Herausforderung stellt die Klimaerwärmung dar. Hier tut sich die große Politik auch sehr schwer, ausbalancierte Lösungen zu finden. Den Weg über großzügige Subventionen aus der Gelddruckpresse hat das Bundesverfassungsgericht blockiert, und so bleibt nur der härtere Weg des Kürzertretens und des Verzichts. Dies betrifft in absehbarer Zeit alle Immobilien, die mit einer effizienteren Heizung und besserer Isolation ausgestattet werden wollen. Ohne Investitionen bzw. Mieterhöhungen wird das nicht gehen. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass nicht energieintensive Industrien wie zum Beispiel Chemie oder Stahl in Deutschland ruiniert werden, nur weil die Produkte mit billiger und genauso klimaschädlicher Energie im Ausland erzeugt und importiert werden. Dies sind alles sehr komplexe Zusammenhänge. Deutschland sollte als Exportweltmeister behutsam und verlässlich agieren, damit die gewünschte Klimaneutralität zum Jahre 2050 nicht mit einer Staatspleite einhergeht.

Nach dem krisenbedingten Inflationsschub der letzten Jahre mehren sich die Verteilungskämpfe, und viele Gruppen formieren sich und verteidigen rücksichtslos ihr Wohlergehen, egal ob Landwirte, Lokführer oder Piloten. Dabei bräuchte unsere Gesellschaft, die durch die vielen modernen Medien sowieso schon in viele kleine Blasen zerfällt, dringend mehr Zusammenhalt und Gemeinsinn. Dies ist dann immerhin ein Bereich, zu dem unsere Kommune etwas beitragen kann, nämlich indem es Aktivitäten gibt, bei denen sich viele Schichten und Gruppen der Bevölkerung begegnen. Beispielhaft seien hier die Sport- und Musikvereine, ein Bürgerfest, unsere Feuerwehr oder auch die Kindergärten und Schulen genannt. Für all diese Einrichtungen sind auch im vorliegenden Haushalt trotz aller Knappheit Mittel reserviert. Denn dem Zerfall der Gesellschaft in viele kleine Interessensgruppen entgegenzuwirken ist eine wichtige Voraussetzung, um unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung zu erhalten.

Der Haushalt ist diesmal in weiß eingebunden, und für 2024 sieht er auch gar nicht so schlecht aus. Die Bilder der neu renovierten Spielplätze als Titelbild erinnern uns daran, dass Kinder für die Zukunft der Stadt genauso wichtig sind wie geordnete Finanzen. Leider funktioniert die Logik andersherum noch nicht: Eltern werden sich nicht für ein Kind entscheiden, nur weil es einen schönen Spielplatz in der Nähe gibt. Aber aus Erfahrung kann ich bestätigen, dass es bei Kindern eine Phase gibt, in der ein attraktiver „Spieli“ das Wichtigste auf der Welt ist.

Der uns vorliegende Haushalt endet mit einer roten Zahl von -0,8 Mio. €, nachdem wir in der Sparkommission bereits 1 Mio. € gestrichen bzw. verschoben hatten. Dabei kommt uns dieses Jahr vor allem die Finanzierungssystematik entgegen, nach welcher wir mehr als 3,4 Mio. € höhere Schlüsselzuweisungen aufgrund unseres schlechten Ergebnisses im Jahr 2022 erhielten. Nachdem wir im letzten Jahr aber überdurchschnittlich gute Gewerbesteuereinnahmen hatten werden wir im nächsten Jahr nach derselben Finanzierungssystematik um 2,3 Mio. € niedrigere Schlüsselzuweisungen erhalten. Hinzu kommt noch der geplante Anstieg der Kreisumlage um fast 2,5 Mio. €, wodurch der Ausblick auf unser Ergebnis für 2025 eine Unterdeckung von -5,5 Mio. € ausweist und damit so weit wie noch nie von der Genehmigungsfähigkeit entfernt liegt. Bis dahin fließt noch einiges Wasser den Neckar hinunter, dennoch tun wir gut dies bereits im Auge zu behalten.

Allerdings lernen wir inzwischen die Auswirkungen des „Neuen Kommunalen Haushalts-Rechts“ (NKHR)seit dem Jahr 2019 besser kennen. Die Abschlüsse für 2019 und 2020 sind final festgestellt, und für 2021 und 2022 gibt es bereits vorläufige Zahlen. Hier gibt es die erstaunliche Beobachtung, dass die tatsächlichen Abschlüsse in allen Jahren deutlich besser waren als die Vorhersage, und zwar nicht um Peanuts, sondern um im Mittel fast 6 Mio. € oder in der Summe der 4 Jahre bereits 24 Mio. €. Die Frage, worin die Verbesserung des NKHR gegenüber der früheren Kameralistik liegen soll, stellt sich da schon. Leider liegt dies nicht im Ermessenspielraum des Gemeinderats.

Dieser Haushalt sieht für dieses Jahr wieder umfangreiche Baumaßnahmen in Höhe von 19 Mio. € vor, und im Mittel der kommenden 4 Jahre soll es grad so weitergehen. Die letzten Jahre lehren uns jedoch, dass die Stadt Marbach nur in der Lage war, Investitionen in der Größenordnung von 10-15 Mio. € jährlich umzusetzen. Nach der Theorie des NKHR sollten die Abschreibungen zuzüglich Inflationsausgleich wieder investiert werden. Mit 3,9 Mio. € zuzüglich einem großzügigen Inflationsausgleich von 100% lägen wir bei 8 Mio. €. Unser Plan sieht mehr als das doppelte vor! Da bleibt nur die vage Hoffnung, dass auch die Abschlüsse der kommenden Jahre um Millionen besser sind als bisher geplant.

Unsere konkreten Projekte wie z.B. Altstadtsanierung, Schulsanierung, Flüchtlingsunterbringung und etliches mehr sind alle wünschenswert, nur müssen sie auch finanzierbar sein. Längerfristig haben wir noch Großprojekte vor der Brust, wie z.B. das Hallenbad, Wärmeplanung und Stromnetz, und schließlich 2033 die Gartenschau. Unter diesen Vorzeichen ist das oberste Gebot, Zuschüsse einzuwerben, wo immer das möglich erscheint. Wir erkennen an, dass Frau Wunschik und ihr Team hier sehr aktiv sind und auch im aktuellen Haushalt 5 Mio. € an Zuschüssen vorgesehen sind. Nur auf diesem Wege wird unsere Kommune einen ordentlichen Teil der umfangreichen Ideen und Pläne für die kommenden Jahre umsetzen können.

Wir drücken uns allen die Daumen, dass der geplante Schuldenstand von 53 Mio. € zum Ende des Jahres 2027 mehr den besprochenen Effekten des NKHR geschuldet ist und nicht Wirklichkeit wird. Sonst haben wir ein Problem. Die für Ende des Jahres 2024 vorgesehenen Schulden von gut 20 Mio. € halten wir gerade noch für vertretbar, und im nächsten Jahr wird unsere Kämmerei erneut um einen genehmigungsfähigen Haushalt ringen müssen.

An dieser Stelle nochmals Dank an Frau Wunschik, Frau Klinge und Team für die rechtzeitige Erarbeitung des Zahlenwerks und auch die Vorbereitung der Haushaltsstrukturkommission. Wir werden dem Haushalt der Stadt sowie der Stadtwerke zustimmen, aber weiterhin ein kritischer Begleiter aller freiwilligen Ausgaben und neuen Investitionsprojekte sein.

Dr. Martin Mistele, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler Marbach a.N.

Vorgetragen im Marbacher Gemeinderat am 14.3.24

Termine