Haushaltsrede 2021

Haushaltsrede 2021 von Dr. Martin Mistele

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, Eigentlich mag man das C-Wort gar nicht mehr hören, aber leider ist es unvermeidlich, auch im Haushalt 2021. Es ist der Grund dafür, dass wir eine nach dem NKHR nicht genehmigungsfähige Planung vorlegen, und diese ausnahmsweise doch durchgewunken wird. Da die Finanzsituation der gesamten öffentlichen Hand unübersichtlich ist, und es der großen Mehrheit der Kommunen in 2021 ähnlich ergeht, ist dies auch nichts anderes als das Aussetzen der Schuldenbremse auf Bundesebene. Wenn ein Privatmann so handeln würde, wäre es unsolide. Aber in und zwischen den Volkswirtschaften gelten eben andere Regeln. Da ist für Schulden der Zins ein wichtiger Steuerungsfaktor, und dieser wurde ja schon seit der letzten Krise extrem heruntergefahren. Wohin Minuszinsen langfristig führen, darüber gibt es noch keine Erfahrungen. Ich persönlich habe da kein so gutes Gefühl, denn es ist irgendwie vergleichbar mit „Freibier für alle“, und das steigert die Leistungsbereitschaft auf Dauer eher nicht. Ein zweiter wichtiger Parameter auf der Ebene von Volkswirtschaften sind die Wechselkurse. Hier ist es erstaunlich, dass der Euro trotz Niedrigzinspolitik und Corona gegenüber der Mehrheit der Währungen sogar noch steigt. Das dürfte daran liegen, dass manche Länder wie zum Beispiel aktuell die Biden-Administration noch viel mehr Geld ausgeben als Deutschland und die EU. Oder es liegt daran, dass der solidarische Umgang innerhalb der EU mit Corona trotz aller Unzulänglichkeiten unterm Strich und im globalen Vergleich doch als überdurchschnittlich eingeschätzt wird. Dies führt mich zu einem dritten Gedanken, weshalb der Euro immer noch so stabil ist: Die sogenannte Friedensdividende. Obwohl Frieden immer fragil ist, haben Deutschland und die EU zu einer Kultur gefunden, Konflikte friedlich zu lösen. Die aktuellen Brandherde der Welt in Myanmar, bei den Uiguren, in Ostafrika oder in der Ukraine sind einigermaßen weit weg. Dieser schon lange anhaltende Frieden sorgt für Wohlstand, und dieser macht unser Europa attraktiv. Zu solch einer Kultur der Kommunikation und geduldeten Vielfalt von Meinungen kann auch eine Kommune beitragen. Dabei müssen insbesondere die Mehrheitsmeinungen von ihrer demokratisch legitimierten Macht vorsichtig Gebrauch machen und Andersdenkende ertragen. Erst wenn Waffengewalt ins Spiel kommt, muss der Rechtsstaat sich wehrhaft zeigen, egal ob gegenüber Rechten, Linken oder Islamisten.

An einem Punkt verbleibt uns aber auch beim Wohlstand aus dieser Friedensdividende ein Problem: So wie wir unseren Wohlstand in der westlichen Welt definieren, geht er mit einem viel zu hohen und nicht nachhaltigen Ressourcenverbrauch einher. Mit der „Fridays for Future“ Bewegung hat dieses Thema ein Gesicht bekommen. Auch wenn es derzeit wegen Corona in den Hintergrund gerückt ist, es wird wiederkommen. Die Klimadiskussion wird von manchen Gruppen derzeit zum Weltuntergangs-Szenario hochstilisiert. In Wirklichkeit sind aber auch fossile Brennstoffe nur ein Unterkapitel von begrenzten Ressourcen. Hier wird ein Umdenken von uns Allen erforderlich sein, das irgendwie zu einem „Weniger ist Mehr“ führen muss. Bisher liest sich unser Haushaltsplan jedoch anders: Überall vergrößern wir z.B. die Gebäudeflächen deutlich überproportional zum Bevölkerungswachstum, egal ob bei Kinderbetreuung, Rathaus, Schulen, Sporthallen oder Feuerwehrmagazinen. Da unsere Welt in erster Linie von Finanzströmen gesteuert wird, kann dieses Problem nach unserer Überzeugung nur marktwirtschaftlich gelöst werden: Nämlich indem die unerwünschten bzw. knappen Güter entsprechend verteuert werden. Die CO²-Abgabe ist da endlich ein Schritt in die richtige Richtung und auch auf der richtigen Ebene, nämlich EU-weit. Denn sonst wird eine Verschärfung in einer freien Marktwirtschaft schnell zum Eigentor. Gleichzeitig ist die CO²-Abgabe derzeit noch viel zu niedrig, um wirklich unser Verhalten zu beeinflussen. Denn auch weltweite Transporte oder Flüge sind immer noch extrem billig. Und aus Brennstoff-Kostengründen überlegt noch niemand seine Heizung umzurüsten oder mit dem Fahrrad in den Urlaub zu fahren. Hier müssen wir vom Idealismus zu einer ökonomischen Steuerung kommen, die am Ende so wirksam ist wie z.B. beim Lebensmitteleinzelhandel, wo die große Mehrheit aller Deutschen sich aus ökonomischen Gründen von Lidl, Aldi & Co. versorgen lässt. Allerdings können diese Anreize nicht in Marbach oder Stuttgart gesetzt werden, sondern mindestens in Berlin und noch besser in Brüssel. Der vorliegende Haushalt ist wie im Vorjahr von großen Investitionsvorhaben geprägt. Nachdem die Rücklagen aufgebraucht sind, erfolgen diese inzwischen fast komplett auf Pump. Der kurzfristige Kreditbedarf verdoppelt sich gegenüber dem Vorjahr auf fast 17 Mio € und bis Ende 2024 steigt der geplante langfristige Kreditbedarf auf 52 Mio. Das sind dann stattliche 3200 € je Einwohner. Im Vergleich zur Steuerkraftsumme von 1451 € je Einwohner entspricht das einer Verschuldung von 220 %. Andererseits ist es so, dass mit

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